Andrea Eckardt ist ausgebildete Altenpflegerin und arbeitet als Fachkraft für Palliativ Care in der AWO Residenz Sehnde. Tod und Trauer gehören zum Leben dazu und dürfen nicht tabuisiert werden, daher ist die Arbeit von Eckardt umso wichtiger. Hier erzählt sie, was es bedeutet in der Sterbebegleitung tätig zu sein und was ihr dabei besonders am Herzen liegt.
Welche Ausbildung haben Sie und wie sind Sie zur AWO gekommen?
2013 habe ich hier erstmal ein Praktikum gemacht, weil ich eine neue berufliche Tätigkeit gesucht habe. Während des Praktikums habe ich dann festgestellt, dass die Altenpflege mir sehr gefällt und seit dem 1. Februar 2014 bin ich bei der AWO angestellt. Von 2015 bis 2018 habe ich zunächst die berufsbegleitende Ausbildung zur Altenpflegerin gemacht.
Sie haben außerdem eine Zusatzausbildung zur Fachkraft in der Palliativ Care absolviert. Wie kam es dazu?
Während der Ausbildung habe ich gemerkt, dass mir Palliativ – Arbeit liegt und ich gerne später in dem Bereich arbeiten möchte. Außerdem habe ich ein Praktikum auf der Palliativstation Siloah in Hannover gemacht. Die Zusatzausbildung begann im Mai 2019. Seit Februar 2020 bin ich Fachkraft für Palliativ Care mit der Zusatzqualifikation Pain Nurse, also kümmere ich mich auch um das Schmerzmanagement.
Was bedeutet es in der Palliativ Care zu arbeiten?
Das Wort palliativ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so etwas wie „Umhüllen“ oder „Ummanteln“. Die Behandlung, die wir geben können, ist nicht mehr heilend sondern lindernd. Wenn jemand an einer nicht-heilbaren Krankheit leidet, dann versuchen wir dafür zu sorgen, dass die Person beispielsweise keine belastenden Symptome mehr hat. Dazu gehören Schmerzen und Übelkeit, aber auch Ängste und Unruhe. In der Palliativ Care geht es darum, diese Symptome zu lindern, viele Dinge noch zu ermöglichen und letzte Wünsche zu erfüllen. Das nennen wir bedürfnisorientierte Pflege. Dazu gibt es ein schönes Zitat von Cicely Saunder, das ist auch mein Leitmotto für meine Arbeit bei der AWO ist. Sie hat gesagt: „Es geht nicht darum, den Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“
Welche Rolle spielen die Angehörigen der Bewohner*innen bei der Sterbebegleitung?
In der Palliativ Care versuchen wir die Angehörigen mit einzubinden, sofern diese das tragen können oder möchten. Wir stehen beratend zur Seite, beantworten ihre Frage, stehen natürlich auch in der Trauerphase danach zur Verfügung und lassen sie nicht allein. Das ist zwar vor allem jetzt, in Zeiten von Corona, besonders schwierig, allerdings haben wir Ausnahmeregelungen geschaffen, damit auch Angehörige eine/n Bewohner*in besuchen können, wenn diese/r im Sterben liegt.
Wie grenzt sich Ihre Arbeit in der Palliativ Care von der der Pfleger und Pflegerinnen ab?
Das ist ein fließender Übergang. Ich bin selbst ganz normal in der Altenpflege tätig, habe meine täglichen Aufgaben und versorge die Bewohner*innen. Wenn jemand im Sterben liegt, schaut man dort aber natürlich viel öfter rein.
In Ihrem Team arbeiten drei bis vier Pflegekräfte – Wie schaffen Sie es für alle Bewohner*innen da zu sein?
Wir arbeiten eng mit dem ambulanten Hospizdienst Burgdorf, Lehrte, Sehnde und Uetze zusammen. Der besteht aus ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen, die sich noch zusätzlich Zeit für unsere Bewohner*innen nehmen können. Die Zusammenarbeit mit dem Begleitenden Dienst ist für uns auch total wichtig. Beispielsweise haben wir eine Bewohnerin, die große Angst davor hat, allein zu sein. Wir versuchen dann zwar so viel wie möglich Zeit mit ihr zu verbringen, aber das können wir Pfleger und Pflegerinnen nicht leisten. Da ist dann der Begleitende Dienst zur Stelle. Außerdem geben wir als Palliativ Care Team regelmäßig Fortbildungen für die anderen Mitarbeiter aller Bereiche im Haus zum Thema Tod und Sterben.
Gibt es so etwas wie ein Abschiedsritual, wenn ein/e Bewohner*in verstirbt?
Ja, denn wir wollen jedem die Möglichkeit geben, sich zu verabschieden. Nachdem der Tod festgestellt wurde, versorgen wir die Bewohner*innen noch ein letztes Mal. Manche haben beispielsweise schon vorher einen Wunsch geäußert, was sie gerne anziehen wollen. Diesen Wunsch berücksichtigen wir dann natürlich. Wir richten das Zimmer her und streuen Blütenblätter auf das Bett. Die Angehörigen können hier in Ruhe Abschied nehmen. Auch Mitarbeiter*innen, die das möchten, bekommen die Chance dasselbe zu tun.
Außerdem organisieren wir einmal im Jahr vor dem Totensonntag gemeinsam mit dem Begleitenden Dienst ein Angehörigen-Trauerkaffee. Das ist noch einmal eine Möglichkeit für alle Angehörigen, derer, die im letzten Jahr verstorben sind, Abschied zu nehmen. Es gibt dann eine kleine Gedenkfeier. Hier werden alle Verstorbenen erwähnt und wir erzählen, wie sie so waren und wie wir sie kennengelernt haben. Dann setzen wir uns zusammen, reden bei Kaffee und Kuchen und geben so die Möglichkeit das Trauerjahr abzuschließen und loszulassen.
Wem würden Sie zu dieser Zusatzausbildung zur Palliativ-Care Fachkraft raten und wem eher abraten?
Um die Zusatzausbildung zu machen, ist es sehr wichtig empathisch zu sein, aber trotzdem nicht alles zu stark an sich heranzulassen. Man muss ich distanzieren können. Es ist wichtig mit dem Thema Tod und Trauer umgehen zu können. Ansonsten wird es schwierig, diesen Job zu machen.
Welche Ausbildung muss man bereits vorher absolviert haben?
Neben der Ausbildung zur Altenpflegefachkraft, kann man auch eine Ausbildung zur Krankheits- und Gesundheitsfachkraft abgeschlossen haben. Eigentlich muss dann bereits zwei Jahre in diesem Beruf gearbeitet werden, bevor die Zusatzausbildung zur Palliativ Care Fachkraft möglich ist. Allerdings gibt es Bildungsträger, die die Zugangsvoraussetzungen dahingehend gelockert haben. Stattdessen wird eher auf die persönliche Eignung des Einzelnen geachtet.
Welchen Stellenwert haben persönliche Beziehungen und Empathie in ihrer Arbeit?
Man entwickelt automatisch auch eine persönliche Bindung zu den Bewohner*innen. Wenn man jemanden in der Sterbephase begleitet, dann entstehen auch ganz intime Momente. Man ist ganz nah bei dem/der Bewohner*in. Sie reden über ihre Ängste und haben viele Fragen, die man dann versucht so gut wie möglich zu beantworten. Ganz oft kommt die Frage: „Warum sterbe ich jetzt nicht?“ Darauf lässt sich natürlich keine einfache Antwort finden.
Wo sehen Sie Herausforderungen Ihrer Arbeit?
Für mich ist es manchmal schwierig zu merken, dass ich nicht immer helfen kann. Manche Symptome kann man leider nicht hundertprozentig lindern. Auch die Trauerbewältigung mit den Angehörigen ist oft sehr emotional.
Wenn ein/e Bewohner*in zu mir kommt und sagt, dass er oder sie „nicht mehr möchte“ und zum Beispiel aufhört zu essen, ist das für alle eine schwierige Situation. Das zu akzeptieren, ist für mich sehr herausfordernd. Ich versuche dann die Wünsche anzunehmen und zu respektieren, aber trotzdem immer wieder Neues anzubieten und am wichtigsten: für die Menschen da zu sein.
Ist die Arbeit in der Palliativ Care ein trauriger Beruf?
Das kann man so nicht sagen. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass es Menschen gibt, die diese Arbeit machen. Wir dürfen das Thema Tod und Sterben nicht tabuisieren, denn es gehört eben zum Leben dazu. Je mehr man darüber weiß, desto weniger Angst hat man vor dem was kommt.
Und was motiviert Sie?
Die Bewohner und Bewohnerinnen tun das. Es ist schön, wie ich hier jeden Tag am Morgen freundlich begrüßt werde. Wenn ich in lächelnde Gesichter schaue, ich Wünsche erfüllen kann und dann auch noch ein kräftiges Dankeschön dafür bekomme, gibt mir das Kraft. Ich mache meinen Job sehr gern und komme gerne morgens zur Arbeit.
Fällt Ihnen zum Abschluss noch ein besonders schöner Moment ein, wenn Sie an Ihre Arbeit in der AWO Residenz Sehnde denken?
Es gibt eine Bewohnerin, die palliativ betreut wird, mit der ich ein kleines Ritual habe. Immer wenn meine Schicht endet, schaue ich noch einmal bei ihr vorbei und verabschiede mich für diesen Tag. Darüber freut sie sich immer sehr. Sie lächelt dann und sagt: „Du hast schon Feierabend, ne?“